LYME-BORRELIOSE -

Diagnostische Hinweise und Richtlinien für die Therapie


11. Ausgabe

Copyright Oktober 1996

Joseph J. Burrascano Jun., Dr.med.
139 Springs Fireplace Road
East Hampton, N.Y. 11937
USA



Übersetzung
Regina Erbel-Zappe, Dipl.-Übers.
Helmut A. Zappe, Dr.rer.nat. Dr.med.
Sektion Allgemeinmedizin
Universität Heidelberg
Bergheimer Straße 147
D-69115 Heidelberg
Deutschland
Tel: (0 62 21) 56 52 13
Fax: (0 62 21) 56 41 77
Email: cn6@ix.urz.uni-heidelberg.de.

Revidierte Fassung März 1998


INHALTSVERZEICHNIS

A EINLEITUNG

B HINTERGRUNDINFORMATION

C DIAGNOSTISCHE HINWEISE

1 Erythema migrans

2 Diagnostik der Spätborreliose

3 Diagnostische Kriterien der Lyme-Borreliose

4 Checkliste der Symptome

D THERAPEUTISCHE RICHTLINIEN

1 Allgemeine Richtlinien

2 Informationen zur Therapie

3 Antibiotika

4 Durchführung

5 Antibiotika-Alternativen

a Orale Therapie

b Parenterale Therapie

E STADIENGERECHTE THERAPIE

1 Prophylaxe für Risikoexponierte

2 Zeckenstich

3 Lokalisiertes Frühstadium

4 Generalisationsstadium

a Frühes Generalisationsstadium

b Spätes Generalisationsstadium

5 Alternative Handhabung der antibiotischen Therapie

a Gepulste Therapie

b Kombinationstherapie

6 Rezidiv

a Persistierende Beschwerden, die auf Antibiotika ansprechen

b Persistierende Beschwerden, die nicht auf Antibiotika ansprechen

F ERGÄNZENDE THERAPIE

G SICHERHEIT

H NAHRUNGSERGÄNZUNGEN BEI CHRONISCHEM VERLAUF

I EMPFEHLUNGEN ZUR REHABILITATION

J REHABILITATIONSPROGRAMM FÜR BORRELIOSE-PATIENTEN

K PILZINFEKTIONEN

L PATIENTENINFORMATION

1 Vermeiden von Zeckenstichen

2 Zeckenentfernung

M ANHANG

1 Vorgehen bei Zeckenstichen

2 Therapieempfehlungen

N LITERATUREMPFEHLUNGEN

A EINLEITUNG

Die nun vorliegende 11. Ausgabe der Richtlinien wurde gegenüber der vorhergehenden völlig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Sie wurde auf der Grundlage der Ausgabe des Vorjahres erstellt, so daß meine Stammleser sich schnell zurechtfinden können.

In der Einleitung der letzten Ausgabe war die Rede davon, daß Diagnostik und Therapie in ein neues Stadium getreten sind. Anfängliche, noch grobe Verfahrensweisen wurden durch neuere ersetzt, wobei ein besserer Kenntnisstand, größere Erfahrung und gesunder Menschenverstand zunehmend einfließen. Mehr und mehr Symptome oder Symptomgruppen werden der Borreliose zugeschrieben, und die Behandlungsempfehlungen hinsichtlich Medikament und Dosierung haben sich geändert. Das Vorkommen seronegativer und chronisch persistierender Infektionen wurde bestätigt sowie die Möglichkeit von Rückfällen und Behandlungsversagen. An all dem hat sich nichts geändert. Neu hinzugekommen sind in dieser Ausgabe verbesserte diagnostische Tests, überarbeitete diagnostische Vorgehensweisen, eine aktualisierte Liste von Symptomen, neue Anwendungen älterer Antibiotika und neue Ansätze zur Symptomanalyse und Behandlung.

Zu den neueren Entwicklungen gehört, daß jetzt einigermaßen empfindliche und hochspezifische Borrelia burgdorferi-Antigen-Tests im Handel erhältlich sind, wie etwa ein direkter Antigentest und die Polimerase-Kettenreaktion (PCR). Diese sind ein eindeutiger Fortschritt bei der Überprüfung von seronegativen Patienten oder von Patienten, bei denen die Therapie nicht angesprochen hat bzw. die einen Rückfall erlitten. Die Positronen-Emissionstomographie des Gehirns, so sie von erfahrenen Radiologen mit hochauflösenden Geräten durchgeführt wird, kann charakteristische Auffälligkeiten bei der Borreliose-Enzephalopathie darstellen. Dies hilft nicht nur bei der Differentialdiagnose, sondern kann auch, vor und nach Gabe von Acetazolamid durchgeführt, dazu beitragen, den Gebrauch von gefäßerweiternden Substanzen zu validieren, was einige kognitive Symptome erklären könnte. Der Kipptischtest ist ein weiteres hilfreiches Verfahren, mit dem man wie beim Chronischen Müdigkeitssyndrom feststellen kann, ob eine Erhöhung des Blutvolumens und die Gabe von Betablockern die Müdigkeit lindern und das Durchhaltevermögen verbessern können.

Das Konzept einer "therapeutischen Allianz" zwischen Betreuer und Patient muß in seiner Bedeutung für der Behandlung der Lyme-Borreliose betont werden. Das heißt, daß der Patient Teil des medizinischen Teams ist, daß er mitarbeiten muß und selbst Verantwortung für die Einhaltung ärztlicher Empfehlungen übernimmt: Er muß die bestmögliche körperliche Verfassung aufrecht zu halten versuchen und offen über jedwede Probleme oder neu aufgetretene Beschwerden berichten. Dabei muß er sich stets darüber im klaren sein, daß trotz all unserer Anstrengungen der diagnostische und therapeutische Erfolg nie völlig gesichert ist. Das Ärzteteam muß sich größte Mühe geben, dem Patienten gewissenhaft zuzuhören, und darf nie scheinbar absonderliche oder unzusammenhängende Beschwerden vorschnell abtun.

Ich hoffe, der folgende Artikel ist für den Leser hilfreich und interessant.


B HINTERGRUNDINFORMATION

Die Lyme-Borreliose wird aufgrund klinischer Beschwerden diagnostiziert, denn es gibt derzeit keinen Test, der definitiv eine Borreliose bestätigen bzw. eine Aussage darüber erlauben würde, ob eine Borrelieninfektion Ursache für bestimmte Symptome eines Patienten ist. Das gesamte klinische Bild muß in Betracht gezogen werden, ebenso wie die Suche nach Begleitumständen und alternativen Diagnosen sowie nach anderen Ursachen für Teilbereiche der vorgebrachten Beschwerden. Oftmals besteht ein wesentlicher Teil der Diagnostik bei Patienten im generalisierten Spätstadium darin, andere Erkrankungen auszuschließen und sich ein Bild über das Ausmaß der Schädigungen zu verschaffen, die eine eigene Bewertung und Behandlung erfordern würden.

Borrelia burgdorferi (Bb) enthält Betalactamasen, die einigen Stämmen möglicherweise eine Resistenz gegenüber Cephalosporin und Penicillin verleihen. Es handelt sich hierbei offensichtlich um ein langsam arbeitendes Enzymsystem, das mittels höherer oder längerdauernder Antibiotikaspiegel überwunden werden kann, insbesondere mittels Dauerinfusionen (Cefotaxim) oder durch Depotpräparate (Benzathin-Penicillin). Dennoch kommt es vereinzelt zu Behandlungsversagen unter Penicillin und Cephalosporin; in solchen Fällen können Sulbactam und Vancomycin wirksam sein, da sie an anderen Zellwandbausteinen ansetzen als Penicillin.

Mittlerweile ist belegt, daß Bb innerhalb von Zellen überleben kann, z.B. in Makrophagen, Lymphozyten, Endothelzellen, Neuronen und Fibroblasten. Indem Bb sich in intrazellulären Nischen versteckt, entkommt es der Wirkung, die Antibiotika in vitro besitzen. Darüber hinaus sezerniert Bb ein Glycoprotein, in das es sich einkapselt. Einerseits wird es dadurch vom Immunsystem nicht erkannt, andererseits können Antibiotika nicht in das Bakterium eindringen. Da dieses Glycoprotein IgM-Antikörper des Wirts bindet, könnten Bb-Antigene von den Wirtsproteinen verdeckt weren, was zumindest theoretisch das Erkennen durch das Immunsystem beeinträchtigt. Dadurch wäre erstens die Eliminierung der Spirochäten behindert, zweitens ließe sich so eine Seronegativität erklären.

Es existieren verschiedenen Stämme von Bb, die sich in ihrem Antigenprofil und ihrem Ansprechen auf Antibiotika unterscheiden. Außerdem gibt es L-Formen, die keine Zellwand besitzen und daher nicht für Zellwandantibiotika empfindlich sind. Offensichtlich ist Bb in der Lage, im Laufe der Infektion von einer Form in die andere überzugehen und so wechselnde serologische Reaktionen, einschließlich der Seronegativität, hervorzurufen. Daher kann es notwendig sein, die Antibiotika zu wechseln oder gar eine Kombination mehrerer Antibiotika anzuwenden.

Eine Endokarditis ist i.d.R. mit der Borreliose vergesellschaftet, doch kann sie so dezent sein, daß sie nicht mit Hilfe einer Echokardiografie dargestellt werden kann. Dies ist zu beachten, wenn Patienten mit Herzgeräuschen untersucht werden, da darin der Grund liegen könnte, weshalb einige Patienten nach langer Antibiotikaeinnahme immer wieder einen Rückfall erleiden. Ein wiederholtes Versagen der Therapie sollte den behandelnden Arzt auch an das Vorliegen einer Immunschwäche denken lassen, die ansonsten nicht zutage tritt. Diese Immunschwäche sollte dann behandelt werden.

Drei Faktoren machen ein Behandlungsversagen - unabhängig von der Art der Therapie - wahrscheinlich: Noncompliance, regelmäßiger Alkoholkonsum und das Nichteinhalten angemessener Ruhepausen. Die Patienten sollten eine Pause einlegen, wenn die unausbleibliche Nachmittagsmüdigkeit einsetzt, oder besser noch davor.

Wie aus Obigem zu ersehen ist, ist die Behandlung der Lyme-Borreliose schwierig. Es gibt nicht die optimale Medikation, da die Borrelien je nach Stamm auf die verschiedenen Antibiotika verschieden ansprechen. Schließlich beeinflussen individuelle Charakteristika der Patienten das Ausmaß der Wirkung bestimmter Medikationen. Weitere Unsicherheitsfaktoren sind etwa, ob eine parenterale Therapie angezeigt ist, oder wie lange eine Behandlung fortgeführt werden muß, um die Infektion unter Kontrolle zu bringen und einen Rückfall auszuschließen. Daher sollte man zunächst eine Behandlung wählen, die unter den gegebenen Umständen praktikabel ist, und sie im Laufe der Zeit je nach Wirksamkeit modifizieren. Man kann im voraus nicht wissen, welche der mannigfachen Beschwerden sich unter den gegebenen Umständen durch weitere Antibiotikagaben bessern werden und welche chronisch sind. Kein Test kann das Maß des Ansprechens auf die Behandlung bzw. der Genesung anzeigen. Es ist daher wichtig, daß die Patienten Tagebücher führen, in denen Änderungen in der Schwere der Symptome unter der Therapie knapp dargestellt werden; ferner sollten die Körpertemperatur vom späten Nachmittag, körperliche Befunde, Beobachtungen von Krankengymnasten sowie die Ergebnisse kognitiver Tests aufgeführt werden.


C DIAGNOSTISCHE HINWEISE

Da Borreliose-Tests nicht verläßlich sind, muß die Diagnose aufgrund der Klinik erfolgen, Labortests decken dabei nur einen Teilbereich ab. Beachtet werden sollten Zeckenexposition, Hautrötungen (auch atypische), das Auftreten typischer Symptome bei vorher symptomfreien Patienten sowie eine etwaige Reaktion auf die Behandlung (Jarisch-Herxheimer-artige Reaktion), ferner eine Beschwerdebesserung unter der Therapie. Entscheidend ist auch, andere Erkrankungen auszuschließen, denn die Lyme-Borreliose ist oftmals eine Ausschlußdiagnose.

C1 Erythema migrans

Ein Erythema migrans (EM) sichert die Diagnose. Es ist jedoch nur in weniger als der Hälfte der Fälle vorhanden. Selbst dann wird es oft nicht bemerkt. Es besteht aus einer zentrifugal sich ausbreitenden Rötung ("Wanderröte", Anm. d. Übers.), die leicht erhaben und überwärmt ist. Manchmal sticht oder juckt sie. Sie tritt 4 Tage bis mehrere Wochen nach dem Stich auf, mit oder ohne begleitende Allgemeinsymptome. Multiple Erythme kommen in weniger als 10 % der Fälle vor und kennzeichnen einen generalisierten Verlauf. Manche Erytheme verlaufen atypisch, dann sind Hautbiopsien hilfreich. Wenn in der Mitte Geschwüre oder Bläschen auftreten, ist dies ein Hinweis auf eine gemischte Infektion, an der andere Keime beteiligt sind.

Serologische Tests (ELISA, IFT, Western-Blot etc.) können frühestens einige Wochen nach einem Zeckenstich positive Ergebnisse zeigen. Tritt ein EM auf, sollte man die Laborergebnisse nicht abwarten, sondern sofort mit der Therapie beginnen, denn bei frühzeitiger Behandlung sind die Erfolgschancen noch am größten. In der Tat verzichten viele erfahrene Kliniker unter diesen Umständen sogar auf einen Borreliose-Test.

C2 Diagnostik der Spätborreliose

Eine positive Serologie zeigt lediglich die stattgefundene Auseinandersetzung mit Bb an, nicht jedoch, ob gegenwärtig eine Infektion vor sich geht. Die Ergebnisse der Serologie sind oft widersprüchlich, so daß man die Serologie bei verschiedenen Labors mit unterschiedlichen Methoden durchführen lassen sollte. Ich empfehle, sowohl ELISAs als auch Western-Blots anzuordnen. Dazu sollte man wissen, daß im Spätstadium der IgM-Titer wiederholt erhöht sein kann, so daß dieser Titer keine Unterscheidung zwischen früher und später Infektion zuläßt. Er läßt jedoch eine aktive Infektion vermuten. Gelegentlich sind auch späte Verläufe der Borreliose seronegativ. Einige Patienten (36 %) werden nach einer erfolgreichen Therapie vorübergehend seropositiv.

Der Western-Blot zeigt an, welche Antikörper reagieren. Die 41 KD-Bande tritt als erste auf, kreuzreagiert jedoch mit Treponema pallidum und einigen anderen Spirochäten. Die 18, 23-25 (Osp C), 31 (Osp A), 34 (Osp B), 39, 83 und 93 KD-Banden sind am spezifischsten, erscheinen jedoch erst später oder auch gar nicht. Man benötigt zur Diagnose zumindest die 41 KD- und eine weitere der spezifischen Banden. Die 55, 60, 66 und 73 KD-Banden sind nicht spezifisch und ohne diagnostischen Wert.

Obwohl Tests auf Antigene wie die neuerdings verfügbare PCR hochspezifisch sind, ist deren Sensitivität gering, möglicherweise unter 30 %. Dies rührt daher, daß Bb eine Infektion in tiefliegendem Körpergewebe verursacht und nur zeitweilig in Körperflüssigkeiten gefunden wird. Deshalb sammelt man mehrere Proben, um eine höhere Ausbeute zu erzielen, ähnlich wie bei Blutkulturen zur Endokarditis- oder bei Stuhlproben zur Wurm- oder Parasitendiagnostik, usw. Der Patient darf vor dem Test mindestens 6 Wochen lang keine Antibiotika eingenommen haben. Der Antigen-capture-Test kann mit Urin, Liquor und Gelenksflüssigkeit durchgeführt werden, die PCR mit Blut, Urin, Liquor und anderen Körperflüssigkeiten einschließlich der Muttermilch sowie mit Gewebsproben.

Lumbalpunktionen können nicht routinemäßig empfohlen werden. Ein negatives Ergebnis schließt die Borreliose nicht aus. Borrelien-Antikörper im Liquor können nur bei 20 % der Patienten mit Spätborreliose gefunden werden. Daher empfiehlt sich eine Lumbalpunktion nur bei Patienten, die deutliche neurologische Symptome haben, speziell dann, wenn sie seronegativ sind oder nach Therapieende noch an schweren Symptomen leiden. Ziel dieser Untersuchung ist es, andere Erkrankungen auszuschließen und die Gegenwart von Bb-Antigenen zu bestätigen. Besonders wichtig ist, eine Erhöhung des Liquoreiweißes und mononukleärer Zellen festzustellen, da dann eine agressivere Therapie erforderlich würde. Ferner ist der Öffnungsdruck zu prüfen, der erhöht sein und zu Kopfschmerzen führen kann, insbesondere bei Kindern.

Dutzende an forderster Front praktizierende Ärzte trugen dazu bei, eine Liste diagnostischer Kriterien auszuarbeiten, die für den klinisch tätigen Arzt brauchbar sind. Diese Zusammenstellung hat sich als äußerst nützlich nicht nur für den Kliniker, sondern auch für Drittmittelgeber und Gutachterausschüsse erwiesen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, daß die Kriterien, die von den Centers of Disease Control veröffentlicht wurden, lediglich für öffentliche Erhebungen und nicht für die Diagnostik bestimmt sind.

C3 Diagnostische Kriterien der Lyme-Borreliose

PUNKTWERT

Zeckenexposition in einem Endemiegebiet_____________________________1

Positive Anamnese und Borreliose-typische Symptome___________________2

Borreliose-typische systemische Symptome

(andere Diagnosen ausgeschlossen):

1 Organsystem betreffend (z.B. Monarthritis)___________________________1
2 oder mehr Organsysteme betreffend

(z.B. Monarthritis und Facialisparese)________________________________2

Erythema migrans (vom Arzt bestätigt)________________________________7

Acrodermatitis chronica atrophicans (bioptisch bestätigt)_________________7

Positive Serologie________________________________________________3

Serokonversion (gepaarte Seren)_____________________________________4

Positive Histologie (Silberfärbung)___________________________________3

Positive Histologie (monoklonale Immunfluoreszenz)_____________________4

Positive Kultur___________________________________________________4

Bb-Antigen positiv________________________________________________4

Bb-DNA/RNA positiv_____________________________________________4

Diagnose "Lyme-Borreliose" bei

7 oder mehr Punkten: sehr wahrscheinlich,

5-6 Punkten: möglich,

4 oder weniger Punkten: unwahrscheinlich.

C4 Checkliste der Symptome

Die folgende Liste ist nicht als diagnostisches Werkzeug gedacht, sondern sollte die Sprechstunde gezielt ausrichten. Beschwerden, die bestimmten Organsystemen zugerechnet werden, stehen untereinander, um eine multisystemische Beteiligung besser hervorzuheben.

Risikoprofil (Bitte ankreuzen)

Zecken-Endemiegebiet?

Häufige Freilandaktivität (Wandern, Fischen, Campen, Gartenarbeit, Jagen)?

Zecken an Haustieren?

Zeckenstich erinnerlich? Wann?

Wanderröte erinnerlich?

Andere Hautrötungen?

Folgende Symptome?

1. Nicht erklärliches Fieber, Schwitzen, Frösteln, plötzliches Erröten

2. Nicht erklärliche Gewichtsveränderung (Ab- oder Zunahme)

3. Müdigkeit, Erschöpfung, geringe Ausdauer

4. Nicht erklärlicher Haarausfall

5. Geschwollene Lymphknoten, wo?

6. Halsschmerzen

7. Schmerzen an den Testes, in den Leisten

8. Nicht erklärliche Menstruationsunregelmäßigkeiten

9. Nicht erklärliche Milchproduktion, Brustschmerzen

10. Blasenfunktionsstörungen

11. Sexuelle Funktionsstörungen oder Libidoverlust

12. Magenbeschwerden

13. Veränderte Stuhlgewohnheiten (Obstipation, Diarrhoe)

14. Schmerzen des Brustkorbs oder Wundgefühl über den Rippen

15. Kurzatmigkeit, Husten

16. Herzklopfen, Herzstolpern, Block im Herzreizleitungssystem

17. Herzgeräusch (anamnestisch), Klappen-Prolaps

18. Gelenkschmerzen, Gelenkschwellung, an welchen Gelenken?

19. Gelenksteifigkeit (auch des Nackens oder des Rückens)

20. Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe

21. Zucken der Gesichts- oder anderer Muskeln

22. Kopfschmerzen

23. Nackensteifigkeit, Nackenschmerzen

24. Kribbeln, Taubheitsgefühl, brennende oder stechende Gefühlsstörungen,

einschießende Schmerzen

25. Fazialisparese (Bell'sche Lähmung)

26. Augen/Gesichtsfeld: Doppel-, Schleiersehen, Mouches volantes,

Lichtempfindlichkeit

27. Ohren/Gehör: Brummen, Pfeifen, Schmerzen, Geräuschempfindlichkeit

28. Reisekrankheit, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen

29. Benommenheit, Gangstörungen

30. Tremor (Zittern)

31. Verwirrtheit, Denkschwierigkeiten

32. Konzentrations-, Leseschwierigkeiten

33. Vergeßlichkeit, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis

34. Desorientiertheit (Verirren, an falsche Plätze gehen)

35. Sprech- oder Schreibschwierigkeiten

36. Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Depression

37. Schlafstörungen (zuviel, zuwenig Schlaf, frühes Erwachen)

38. Alkoholunverträglichkeit, länger andauernder "Kater"

D THERAPEUTISCHE RICHTLINIEN

D1 Allgemeine Richtlinien

Sind Borrelien in den Blutkreislauf gelangt, verteilen sie sich rasch über den gesamten Körper, im Zentralnervensystems findet man sie beispielsweise schon nach 12 Stunden. Daher muß bereits im Frühstadium der Infektion ein Antibiotikum in voller Dosis gegeben werden. Das gewählte Antibiotikum muß in ausreichendem Maße gewebegängig sein, um bakteriozid zu wirken. Je länger es anfangs dauert, bis eine Borreliose ausreichend therapiert wird, desto länger und agressiver muß nachgewiesenermaßen anschließend behandelt werden.

Da Borrelien eine lange Generationszeit besitzen (12 bis 24 Stunden in vitro, vermutlich wesentlich länger in vivo) und außerdem Perioden der Inaktivität aufweisen, während der Antibiotika nicht wirksam sind, muß über einen langen Zeitraum behandelt werden. Nur so können alle vorhandenen Symptome zum Verschwinden gebracht und ein Rückfall verhindert werden - insbesondere in der Spätphase der Infektion. Wird die Behandlung abgebrochen, bevor alle Symptome einer aktiven Infektion verschwunden sind, wird der Patient nicht gesunden und möglicherweise wird sich sein Zustand weiter verschlechtern. Im allgemeinen wird im frühen Generalisationsstadium vier bis sechs Wochen lang therapiert, im Spätstadium sind in der Regel mindestens vier bis sechs Monate kontinuierlicher Therapie notwendig. Da die Patienten unterschiedlich auf die Therapie ansprechen, muß sie individuell ausgerichtet werden. Es ist keineswegs ungewöhnlich, daß bei einer über Jahre bestehenden Borreliose das Ende der Therapie nicht vorherzusagen ist, und daß ferner einige Patienten eine andauernde Erhaltungstherapie benötigen, um beschwerdefrei zu bleiben.

Klinisch beobachtet man, daß die Beschwerden in periodischen Abständen von 4 Wochen aufflackern. Man geht davon aus, daß dies dem Generationszyklus des Bakteriums entspricht, wobei einmal im Monat eine Vermehrungsphase vorkommt. Da Antibiotika nur während der Wachstumsphase von Bakterien greifen, muß die Therapie mindestens einen Generationszyklus umfassen. Dies ist der Grund, weshalb eine Behandlung mindestens 4 Wochen dauern sollte. Sind die Antibiotika wirksam, lassen die Beschwerden mit der Zeit an Stärke und Dauer nach. Gerade diese monatlich wiederkehrenden Beschwerden bestätigen, daß lebende Keime noch vorhanden sind und die antibiotische Therapie fortgesetzt werden sollte.

Auch während der Behandlung flackern die Symptome gewöhnlich in der 4. Woche wieder auf und dann alle 4 Wochen, bis die Borrelien nicht mehr aktiv sind. Dies ist vermutlich auf wiederkehrende Herxheimer-Reaktionen zurückzuführen, die dann auftreten, wenn die Borrelien sich in ihrer kritischen Vermehrungsphase befinden. Weshalb die schlimmsten Reaktionen ausgerechnet in der 4. Behandlungswoche auftreten, ist nicht bekannt. Bei lange bestehenden hochsymptomatischen Borreliosen kann dieses Aufflackern unter der Behandlung schwer verlaufen, ähnlich wie bei einer Serumkrankheit. Vorübergehend können dabei die Leukozyten erniedrigt und/oder die Leberenzyme erhöht sein. In solchen Fällen sollte die Dosierung der Medikamente zeitweise eingeschränkt oder die Behandlung für einige Tage ausgesetzt werden. Dann beginnt man wieder die Behandlung mit einer geringeren Dosierung. Wenn es gelingt, die Therapie fortzusetzen und den Patienten über diese harte Zeit hinwegzuhelfen, bessert sich ihr Zustand mit der weiteren parenteralen antibiotischen Therapie wesentlich. Wird die Behandlung zu diesem Zeitpunkt abgebrochen und nicht gleich wieder aufnommen, muß in der Regel mit einer weiteren Behandlung begonnen werden, da die Beschwerden anhalten oder erneut wieder auftreten. Patienten, die in der 4. Woche der intravenösen Therapie starke Herxheimer-Reaktionen zeigen, benötigen weitere parenterale Antibiotika für mehrere Monate. Wenn diese Reaktion, die alle 4 Wochen auftritt, schließlich nachläßt, kann die intravenöse Therapie durch eine orale oder intramuskuläre ersetzt werden. Genau dies sollte das Kriterium für den behandelnden Arzt sein, die intravenöse Therapie zu beenden. Grob gesprochen behandelt man intravenös, bis eine eindeutige positive Reaktion eintritt, danach werden Antibiotika intramuskulär oder oral verabreicht, bis die Symptome einer aktiven Infektion 4 bis 8 Wochen lang ausgeblieben sind. Es gibt jedoch Patienten, die auf eine orale oder intramuskuläre Behandlung nicht ansprechen und deshalb durchweg nur intravenös therapiert werden können.

Die Patienten sollten angehalten werden, täglich ihre Symptome sorgfältig zu notieren. Dies hilft uns, die Wirkung der Behandlung und das Auftauchen der klassischen Vierwochenzyklen einzuschätzen sowie das Ende der Behandlung festzulegen. Denken Sie daran, daß gegenwärtig kein Test eine Heilung bestimmen kann. Daher sollten sorgfältige Nachuntersuchungen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Borreliose spielen.

D2 Informationen zur Therapie

Es gibt keine universell wirksame antibiotische Therapie der Lyme-Borreliose. Das gewählte Medikament und die verschriebene Dosierung ist von Patient zu Patient aus vielfältigen Gründen unterschiedlich. Eine Rolle spielen dabei Alter, Gewicht, erreichbare Blutspiegel, Magen-Darmverträglichkeit und Medikamentenintoleranz. Die Dosierungen, die sich klinisch als wirksam erwiesen haben, sind oftmals höher als die in der älteren Literatur empfohlenen. Dies beruht darauf, daß die Borrelien tief in das Gewebe eindringen, ferner in das Zentralnervensystem einschließlich dem Auge, sowie in Sehnen. Und nur wenige der mittlerweile bekannten Borrelienstämme wurden auf ihre Empfindlichkeit hinsichtlich Antibiotika getestet. Außerdem untersuchen alle bisherigen Studien nur die Frühphase der Erkrankung - zudem in Tiermodellen, welche keine unmittelbaren Schlüsse auf den menschlichen Wirt zulassen. Hintergrundinformation und Belege für die folgenden Empfehlungen sind in der empfohlenen Literatur und im Anhang zu finden.

D3 Antibiotika

Es gibt vier verschiedene Arten von Antibiotika, die zur Behandlung der Borreliose verwendet werden. Tetracycline, einschließlich Doxycyclin und Minocyclin, wirken bei üblicher Dosierung bakteriostatisch. Bei ungenügend hohen Blutspiegeln kommt es häufig zu Therapieversagern, sowohl bei Früh- wie bei Spätborreliosen. Allerdings sind hohe Dosen schlecht verträglich. Tetracyclin kann bei einem Teil der Patienten mit chronischer Borreliose wirksam sein, wenn es hoch genug dosiert wird (1500 bis 2000 mg/Tag). Doxycyclin wirkt sehr gut, gleich ob oral (300 bis 600 mg täglich) oder parenteral verabreicht, jedoch nur, wenn adäquate Blutspiegel erreicht werden.

Penicilline wirken bakteriozid. Wie es bei gram-negativen Bakterien wie den Borrelien zu erwarten ist, zeigt Amoxicillin eine größere Wirksamkeit als Penicillin V. Amoxicillin wird wegen seiner kurzen Halbwertszeit und der nötigen hohen Blutspiegel gewöhnlich mit Probenecid verabreicht. Die Blutspiegel schwanken erheblich und sollten daher kontrolliert werden.

Cephalosporine wirken gut, doch sollten nur Cephalosporine der neueren Generation verwendet werden: Cephalosporine der 1. Generation sind nicht wirksam, die der 2. Generation sind in ihrer Wirksamkeit in vitro wie in vivo mit Amoxicillin und Doxycyclin vergleichbar. Cephalosporine der 3. Generation sind gegenwärtig die wirksamsten dieser Gruppe; sie besitzen eine sehr niedrige minimale Hemmkonzentration (0,06 mg/l für Ceftriaxon) und eine ausgezeichnete Gewebegängigkeit. Schließlich wurde gezeigt, daß diese Cephalosporine wirksam sind, wenn die Behandlung mit Penicillin oder Tetracyclinen versagt hat. Cefuroxim-axetil (Ceftin), ein Cephalosporin der 2. Generation, ist außerdem wirksam gegen Staphylokokken und daher nützlich bei der Behandlung atypischer Erytheme, die Ausdruck einer gemischten Infektion sein können, woran neben Bb einige der üblicheren Hautkeime beteiligt sind. Da dieses Antibiotikum infolge gastrointestinaler Nebenwirkungen schwer zu tolerieren und außerdem kostspielig ist, wird es nicht in erster Linie verwendet.

Werden Cephalosporine der 3. Generation verwendet, sollte folgendes bedacht werden: Die Wirksamkeit von Ceftriaxon (Rocephin) und Cefotaxim (Claforan) wurde in vitro, in vivo und in klinischen Studien nachgewiesen. Ceftriaxon wird einmal pro Tag infundiert (ein Vorteil für die ambulante Therapie). Es wird allerdings zu 95 % mit der Galle ausgeschieden und birgt die Gefahr, im Gefäßbaum der Galle zu kristallisieren und Koliken oder Gallenblasenentzündungen hervorzurufen. Die Ausscheidung über den Gastrointestinaltrakt beeinflußt die Darmflora erheblich. Diese Nachteile sowie auch das Problem der Superinfektion können bei Ceftriaxon verringert werden, indem es mit Unterbrechungen gegeben wird, z.B. 5 Tage hintereinander, dann 2 Tage Pause. Cefotaxim, das mindestens alle 12, noch besser alle 8 Stunden verabreicht werden muß, ist zwar weniger bequem anzuwenden, wird aber nur zu 5 % über die Galle ausgeschieden und verursacht somit keine Gallenkonkremente und hat einen geringeren Einfluß auf die Darmflora. Es gibt erste Hinweise dafür, daß Cefotaxim noch wirksamer sein könnte, wenn es statt mit Unterbrechungen als Dauerinfusion verabreicht wird.

Erythromycin zeigt bei alleiniger Anwendung so gut wie keine Wirkung. Die neueren Macrolide (sie werden als Azalide bezeichnet) wie z.B. Azithromycin und Clarithromycin, sind bei den benötigten hohen Dosierungen und ihrer Neigung, eine Candidaüberwucherung zu fördern, für manche Patienten schlecht Magen-Darm-verträglich. Da sie jedoch beeindruckend niedrige minimale Hemmkonzentrationen haben, sich außerdem im Gewebe anreichern und in Zellen eindringen, müßten sie theoretisch ideale Agenzien sein. Erste klinische Ergebnisse waren jedoch enttäuschend. Man nimmt an, daß Borrelien sich im Zellinnern in einer flüssigkeitsgefüllten Vakuole aufhalten und daß der niedrige pH-Wert dieser Flüssigkeit die Azalide inaktiviert. Daher werden sie gegenwärtig zusammen mit Hydroxychloroquin oder Amantadin verabreicht, welche den pH-Wert in der Vakuole erhöhen und so die Wirksamkeit der Antibiotika verbessern. Möglichweise könnte auch die Wirksamkeit von Erythromycin auf diese Weise erhöht werden.

Weitere Antibiotika haben in vitro ihre Wirksamkeit bewiesen und wurden erfolgreich eingesetzt. Sie werden weiter unten besprochen.


D4 Durchführung

Der Blutspiegel des Antibiotikums sollte immer wieder bestimmt werden, bis die tolerable Dosierung gefunden wurde, ferner dann, wenn größere Änderungen des Regimes erfolgen. Bei der parenteralen Therapie sollten das Blutbild und die Leberwerte mindestens alle zwei Wochen kontrolliert werden, ebenso während des Aufflackerns der Symptome. Zusätzlich sollte einmal im Monat der Urin kontrolliert und die Prothrombinzeit bestimmt werden.



D5 Antibiotika-Alternativen

D5a Orale Therapie

Der Blutspiegel sollte stets kontrolliert werden, wenn mit einem * versehene Antibiotika verwendet werden. Die Dosierung sollte so gewählt werden, daß die Spitze des Blutspiegels in der Mitte zwischen 10 und 20 mg/l und der Mindestwert über 5 mg/l liegt. Entsprechend müssen die unten angegebenen Dosierungen gegebenenfalls erhöht werden.

*Amoxicillin: Erwachsene 1 g alle 8 Stunden zusätzlich 500 mg Probenecid alle 8 Stunden. Oftmals werden bis zu 6 g pro Tag benötigt. Bei Schwangerschaft 1 g alle 6 Stunden, ggf. mehr. Kinder 50 mg/kg/Tag in 3 Einzeldosen.

*Doxycyclin: Erwachsene 100 mg 3x/Tag während des Essens. Oft sind bis zu 600mg pro Tag erforderlich, da Doxycyclin nur bei hohen Blutspiegeln wirksam ist. Nicht bei Kindern oder in der Schwangerschaft anwenden. Wenn die Blutspiegel bei der gerade noch verträglichen Dosis zu niedrig liegen, ist eine parenterale Gabe notwendig.

*Cefuroxim-axetil: Orale Alternative, wenn Amoxicillin und Doxycyclin versagen. Angezeigt bei Erythema migrans, wenn mit anderen Hautkeimen suprainfiziert. Erwachsene, auch in der Schwangerschaft 1 g alle 12 Stunden, ggf. mehr. Kinder 125-500 mg alle 12 Stunden je nach Gewicht.

Tetracyclin: Nur bei Erwachsenen, nicht in der Schwangerschaft. 500 mg 3-4x/Tag.

Erythromycin: Nicht empfohlen, geringes Ansprechen.

Azithromycin: Erwachsene 500-1200 mg/Tag. Jugendliche 250-500 mg/Tag. Zusätzlich Hydroxychloroquin 200-400 mg/Tag oder Amantadin 100-200 mg/Tag. Nicht in der Schwangerschaft und nicht bei jüngeren Kindern.

Clarithromycin: Erwachsene 250-500 mg alle 6 Stunden. Zusätzlich Hydroxychloroquin 200-400 mg/Tag oder Amantadin 100-200 mg/Tag. Nicht in der Schwangerschaft und nicht bei jüngeren Kindern.

Augmentan (500 mg Amoxicillin und 125 mg Clavulansäure, Anm. d. Übers.): Nicht öfter als 3x/Tag aufgrund der Clavulansäure.

Chloramphenicol: Nicht empfohlen, da nicht getestet und möglicherweise toxisch.

D5b Parenterale Therapie

Ceftriaxon: Das Risiko des biliären Sludge-Phänomens kann durch Therapiepausen vermindert werden, z.B. indem an 5 aufeinanderfolgenden Tagen einer Woche infundiert wird. Erwachsene und während der Schwangerschaft 2 g/Tag. Bei größerem Körpergewicht oder schweren Symptomen bis zu 4 g/Tag. Kinder 75 mg/kg/Tag bis zu 2 g täglich.

Cefotaxim: In der Wirksamkeit vergleichbar mit Ceftriaxon, jedoch keine biliären Komplikationen. Erwachsene und bei Schwangerschaft 2 g alle 8 Stunden bis max. 12 g/Tag. Eventuell als Dauerinfusion. Kinder 90-180 mg/kg/Tag alle 6 (vorzugsweise) bis 8 Stunden, nicht über 12 g/Tag.

*Doxycyclin: Erfordert einen zentral liegenden Katheter, da es kaustisch wirkt. Überraschend gut wirksam, da vermutlich höhere Blutspiegel erreicht werden, wenn es parenteral verabreicht wird. Die Blutspiegel sollten regelmäßig kontrolliert werden. Erwachsene ca. 400 mg/Tag, angepaßt an den Blutspiegel. Nicht während der Schwangerschaft und nicht bei jüngeren Kindern.

Penicillin G: Nur gering wirksam und nicht empfohlen.

Benzathin-Penicillin: Überraschend gut wirksame intramuskuläre Alternative zur oralen Therapie. Erfordert möglicherweise eine niedrigere anfängliche Dosierung, da ernstere und verzögerte (nach 6 und mehr Wochen) Herxheimer-artige Reaktionen beobachtet wurden. Erwachsene 1,2 Mio. E 1-2x pro Woche. Jugendliche 300.000 bis 1,2 Mio. E pro Woche. Nicht in der Schwangerschaft.

Kaum untersucht, jedoch gelegentlich erfolgreich:

Vancomycin: Als eines der besten Medikamente zur Behandlung der Borreliose beschrieben, doch beschränkt die wahrscheinliche Toxizität den Einsatz. Für eine gepulste Therapie hervorragend geeignet, da dies die Nebenwirkungen minimiert. Verabreichung in Standarddosierung; Blutspiegel müssen kontrolliert werden.

Imipenem: Ähnlich in seiner Wirksamkeit wie Cefotaxim. Kann wirksam sein, wenn Cephalosporine versagt haben. Alle 6-8 Stunden

Cefuroxim: Wirksam, jedoch nicht nachweislich besser als Ceftriaxon oder Cefotaxim.

Ampicillin i.v.: Wirksamer als Penicillin G. Alle 6 Stunden


E STADIENGERECHTE THERAPIE

E1 Prophylaxe für Risikoexponierte

Aufklärung und präventive Maßnahmen. Antibiotika werden nicht prophylaktisch verabreicht.

E2 Zeckenstich

Ohne lokale Zeichen oder Allgemeinsymptome einer Borreliose (s. Anhang). Ob behandelt werden soll, hängt ab: vom Zeckentyp, ob aus einem Endemiegebiet, von dem Anteil infizierter Zecken, von der Art und Weise der Entfernung und von der Länge des Saugaktes (Nymphen mindestens ein Tag; Adulte mindestens 4 Stunden). Das Infektionsrisiko ist größer, wenn die Zecke festgesogen war oder unsachgemäß entfernt wurde, so daß die Zecke in den Stichkanal erbrechen konnte. Zeckenstiche mit hohem Risiko werden wie folgt behandelt:

1. Erwachsene und Kinder: oral für 3 Wochen

2. Schwangere: Amoxicillin 1 g alle 6 Stunden für 6 Wochen. Alternativ Cefuroxim-axetil 1 g alle 12 Stunden für 6 Wochen.

E3 Lokalisiertes Frühstadium

Einzelnes Erythema migrans ohne Allgemeinsymptome:

1. Erwachsene und Kinder: oral für 6 Wochen.

2. Schwangere: 1. und 2. Trimester 3 Wochen i.v., dann 6 Wochen oral; 3. Trimester Amoxicillin 1 g alle 6 Stunden für 6 Wochen.

E4 Generalisationstadium

Multiple Erytheme, Allgemeinsymptome, Lymphknotenschwellungen oder andere Zeichen der Generalisation.

E4a Frühes Generalisationsstadium

Leichtere Symptome, die längstens ein Jahr bestehen und nicht kompliziert werden durch einen Immundefekt oder eine vorangegangene Steroid-Therapie:

1. Erwachsene: oral, bis keine aktiven Krankheitszeichen für mindestens 4 Wochen mehr vorhanden sind (üblicherweise 4-6 Monate)

2. Schwangerschaft: Wie im lokalisierten Frühstadium, jedoch Dauer wie oben. Einige erfahrene Kliniker behandeln während der gesamten Schwangerschaft.

3. Kinder: oral mit einer Dauer je nach klinischem Ansprechen.

Parenterale Alternativen bei schwerer erkrankten Patienten oder bei Nichtansprechen bzw. Unverträglichkeit der oralen Therapie:

1. Erwachsene und Kinder: i.v. für 6 Wochen bzw. bis zur deutlichen Beschwerdebesserung. Anschließend orale Therapie oder Benzathin-Penicillin i.m. bis 8 Wochen lang keine Zeichen einer aktiven Erkrankung mehr bestehen. Eine Wiederholung der i.v. Behandlung kann nötig sein, wenn die orale oder i.m. Therapie versagt haben.

2. Schwangerschaft: i.v., dann oral wie oben.

E4b Spätes Generalisationsstadium

Länger als ein Jahr bestehend; schwerer erkrankte Patienten; zuvor angewandte intensive Steroid-Therapie; geschwächtes Immunsystem:

1. Erwachsene und bei Schwangerschaft: Ausgedehnte i.v. Therapie (6 bis 10 und mehr Wochen), anschließend oral oder i.m., falls wirksam, bis zum Abschluß wie oben.

2. Kinder: i.v. für 6 oder mehr Wochen, anschließend oral oder i.m. wie oben.

E5 Alternative Handhabung der antibiotischen Therapie

E5a Gepulste Therapie

Sie besteht aus einer (üblicherweise parenteralen) Gabe der Antibiotika an 2 bis 3 aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche. Dies bietet folgende Vorteile:

- Die Dosierung kann verdoppelt werden (z.B. Cefotaxim 12 g/Tag), die Wirksamkeit ist dadurch erhöht.

- Medikamente mit erhöhter Toxizität (z.B. Vancomycin) können mit größerer Sicherheit angewendet werden.

- Sie verspricht Erfolg, wenn übliche Therapien mit täglicher Verabreichung der Medikamente versagt haben.

- Das Punktieren der Venen ist erleichtert bzw. für den Patienten erträglicher.

- Die Lebensgewohnheiten des Patienten werden weniger beeinträchtigt.

Erwähnt werden muß, daß diese Art der gepulsten Therapie mindestens 10 Wochen durchgeführt werden muß, oft sogar über 20 Wochen hinaus. Die Wirksamkeit dieser Therapieart beruht darauf, daß die Spirochäten erst nach 48 bis 72 Stunden eines konstanten antibiotischen Blutspiegels abgetötet werden, und sie benötigen mehr als 4 oder 5 Tage, um sich zwischen den Antibiotikagaben zu erholen. Wie bei allen Behandlungen der Borreliose muß die Art und Dosierung der Therapie auf das individuelle klinische Beschwerdebild des Patienten zugeschnitten sein. Sie beruhen letztlich auf der bestmöglichen Einschätzung des behandelnden Arztes.

E5b Kombinationstherapie

Sie besteht aus der gleichzeitigen Anwendung zweier oder mehrerer ungleicher Antibiotika, die sich in ihrer antibiotischen Wirksamkeit ergänzen und unterschiedliche Wirkprofile und Wirkorte aufweisen. Eine typische Kombination ist die Anwendung eines Antibiotikums, das auf die bakterielle Zellwand wirkt, mit einem Antibiotikum, das die Proteinsynthese hemmt (z.B. Amoxicillin und Clarithromycin). Man beachte, daß die gastrointestinale Unverträglichkeit und die Überwucherung durch Hefepilze die größten Probleme bei dieser Art der Anwendung darstellen. Jedoch können diese Komplikationen beherrscht und gut behandelt werden, so daß die klinisch beobachtbaren Vorteile dieser Therapieart bei ausgewählten Patienten die Nachteile eindeutig überwiegen.

E6 Rezidiv

E6a Persistierende Beschwerden, die auf Antibiotika ansprechen

Patienten dieser Gruppe zeigen eine Besserung ihrer Beschwerden auf Antibiotika hin, erleiden jedoch einen Rückfall, wenn die Medikamente abgesetzt werden. Begutachteten medizinischen Artikeln zufolge leiden diese Patienten nachgewiesenermaßen an einer persistierenden Infektion. Es obliegt dem behandelnden Arzt zu entscheiden, ob er eine kontinuierliche Therapie vorschlägt, um eine klinische Verschlimmerung zu vermeiden. Es sollten die Blutspiegel und die Immunkompetenz des Patienten bestimmt bzw. untersucht werden. Letzteres umfaßt die Bestimmung der Zahl bzw. Funktion der T- und B-Zellen, der natürlichen Killerzellen, des Complementsystems, der Neutrophilen und die Kontrolle der Immunantwort auf Impfungen.

Behandlungsmöglichkeiten: Längere Therapiedauer, einschließlich einer offenen Erhaltungstherapie, eine höhere Dosierung, Anwendung anderer Antibiotika oder einer anderen Applikationsart (oral oder i.v.), Kombinations- oder gepulste Therapie, Synovektomie, die Suche nach begleitenden Erkrankungen und deren Behandlung sowie eine unterstützende Therapie, falls nötig.

E6b Persistierende Beschwerden, die nicht auf Antibiotika ansprechen

Hier sollte die Diagnose überprüft und spezifische Bb-Antigen-Tests nach einem 6 bis 8 Wochen dauernden antibiotikafreien Intervall durchgeführt werden. Es sollte nach begleitenden Erkrankungen gesucht und diese ggf. behandelt werden. Je nach Beschwerdeart muß symptomatisch therapiert werden: nichtsteroidale Antiphlogistika, Hydroxychloroquin, Antidepressiva, Analgetika, Muskelrelaxantien, Amantadin, Synovektomie; psychiatrische/psychometrische Evaluation und Behandlung, falls nötig. Nachkontrolle über längere Zeit. Eine erneute Behandlung sollte erwogen werden, wenn sich die Bedingungen geändert haben.


F ERGÄNZENDE THERAPIE

Allen Borreliose-Patienten sei empfohlen: täglicher Verzehr von Joghurt oder anderen Lebensmitteln, die Milchsäurebakterien enthalten; Multivitamine inklusive Vitamin-B-Komplex 50 mg/Tag; Krankengymnastik, Rehabilitation mit einem stufenweise durchgeführten Trainingsprogramm.

Wenn benötigt, insbesondere in schwereren Fällen, sollten verordnet werden: Vitamine und Nahrungsergänzungen (s.u.); psychosoziale Evaluation, eventuell unter Zuhilfenahme eines Konsils; nichtsteroidale Antiphlogistika, Antidepressiva, Analgetika, Muskelrelaxantien sowie Amantadin; Immunglobuline und ggf. Immuntherapie; Sinequan (DAW) in niedriger Dosierung (5-50 mg/Tag). Letzteres verbessert nachgewiesenermaßen die T-Zell-Funktion.

Kontraindiziert sind: Alkohol, exzessiver Koffeingenuß, jeder vermeidbare Streß.


G SICHERHEIT

Die Erfahrung aus ungefähr einem Jahrzehnt in der Behandlung tausender an Borreliose Erkrankter hat gezeigt, daß die o.g. Therapie im allgemeinen gut vertragen wird, auch wenn sie sehr intensiv ist. Die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung ist eine Allergie auf Probenecid, ferner eine Überwucherung mit Candida. Diese sind im allgemeinen leicht erkennbar und gut zu behandeln. Eine Clostridium-difficile-Kolitis wird am häufigsten bei Ceftriaxon beobachtet, kann aber auch bei jedem anderen o.g. antibiotischen Regime auftreten. Der regelmäßige Verzehr von Zubereitungen mit Milchsäurebakterien scheint hilfreich bei der Vorbeugung einer durch Hefepilze oder Antibiotika verursachten Kolitis zu sein. Wenn diese Hinweise beachtet werden, sind auch Clostridium-difficile-Kolitiden selten.

Zentrale Katheter, die peripher gelegt sind, sollten, falls irgendwelche Probleme auftauchen, sicherheitshalber gezogen werden. Versuche, die Zugänge mit Urokinase offen zu halten, sind meist nicht erfolgreich und deshalb nicht angeraten.

Patienten, die Tetracycline einnehmen, sollten auf die mögliche Phototoxizität für Haut und Augen hingewiesen werden und sich vor Sonnenlicht schützen. Wird Doxycyclin parenteral verabreicht, darf die Lösung nicht vorher eingefroren werden.

Die Erfahrung mit jahrelangen antibiotischen Therapien bei anderen chronischen Erkrankungen einschließlich rheumatischem Fieber, Akne, rezidivierender Otitis, Zystitis, Asthma, Bronchiektasen etc. hat keine wesentlichen Folgen aufgrund einer solchen Medikation aufgedeckt. Tatsächlich sind die Folgen einer unbehandelten und chronisch persistierenden Infektion mit Borrelien weit schwerer als die möglichen Folgen einer antibiotischen Therapie.


H NAHRUNGSERGÄNZUNGEN BEI CHRONISCHEM VERLAUF

Studien mit Patienten mit chronischer Borreliose oder Chronischem Müdigkeitssyndrom haben gezeigt, daß einige der Spätsymptome mit Zelluntergang und einem Mangel an verschiedenen essentiellen Nahrungsbestandteilen vergesellschaftet sind. Doppelblinde, placebo-kontrollierte Studien und in einem Fall Untersuchungen von Biopsiematerial haben gezeigt, daß folgende Ergänzungen von Wert sind:

Essentielle Fettsäuren: Studien haben gezeigt, daß es durch die regel-mäßige Einnahme von essentiellen Fettsäuren zu statistisch signifikanten Besserungen bei Müdigkeit, Schmerzen, Schwäche, Schwindel, Benommenheit und Depression sowie zur Besserung des Gedächtnisses und der Konzentration kommen kann. Man unterscheidet grob zwischen Linol(en)- und Arachidonsäuren, die man aus Pflanzen- bzw. Fischöl gewinnt. Es gibt eine Reihe von Pflanzenölen, aus denen man auswählen kann: Nachtkerzenöl, Öl aus schwarzem Johannisbeersamen und aus Borretsch. Fischöl ist in Kapseln (z. B. Präparate mit 1 g Arachidonsäure) erhältlich. Ich empfehle, täglich 4 Pflanzenöl- und 2 bis 4 Fischölkapseln mit der Hauptmahlzeit einzunehmen. Die Wirkung ist schon nach wenigen Tagen spürbar, doch stellt sich eine weitere Verbesserung erst nach längerer Zeit ein. Man sollte daher 3 bis 4 Monate lang die Einnahme fortsetzen.

Coenzym-Q-10 (Ubiquinon): Hierbei handelt es sich um eine Vitamin-B-ähnliche Komponente, die ein essentieller Bestandteil des Stoffwechsels jeder Zelle ist. Mit einem Mangel werden eine beeinträchtigte Funktion des Herzens, geringes Durchhaltevermögen und eine verminderte Abwehrkraft in Verbindung gebracht. Studien an Gewebeproben lassen bei chronischer Borreliose eine Substitution von 2 bis 3 mal 100 mg täglich empfehlenswert erscheinen. Das Durchhaltevermögen und das allgemeine Wohlbefinden bessert sich erst nach einigen Wochen. Der Körper stellt sein eigenes Coenzym-Q-10 her, wenn die ursprüngliche Infektion unter Kontrolle ist, jedoch nur, wenn er durch intensives Körpertraining dazu angeregt wird. Man sollte daher diese Substanz so lange verabreichen, bis der Patient sich wohlfühlt und regelmäßig Sport treibt.

Eisen und Vitamin C: Beides ist für den Zellstoffwechsel notwendig. Ich empfehle ein Eisenpräparat und 500 mg Vitamin C täglich für einen Monat.

Vitamin-B: Studien aus den 50er Jahren haben gezeigt, daß bei Infektionen mit bestimmten Borrelienstämmen Vitamin-B substituiert werden sollte. Neurologische Symptome bessern sich dadurch schneller. Ich empfehle 50 mg eines Vitamin-B-Komplexes täglich.

Multivitamine: Ich empfehle mindestens eine Dosis vor dem Zubettgehen.

Magnesium (fakultativ): Es ist hilfreich bei Tremor, Muskelzuckungen, -krämp-fen, -schmerzen, Herzstolpern und allgemeiner Schwäche. Magnesium kann auch die Leistungskraft und die Kognition positiv beeinflussen. Eine ungeklärte Hyperreflexie ist ein Hinweis auf Magnesiummangel. Die besten Magnesiumquellen sind Magnesiumchlorid und Magnesiumoxid. Kombinationen von Kalzium und Magnesium sind nicht wirksam, da sie schlecht resorbiert werden. Ich empfehle 2 bis 4 Magnesiumgaben täglich, ausnahmsweise auch i.m. oder i.v.

Alle genannten Substanzen sind rezeptfrei in Drogerien oder Apotheken erhältlich.I EMPFEHLUNGEN ZUR REHABILITATION

Wenn man längere Zeit an einer Lyme-Borreliose leidet, ist der Körper allgemein geschwächt. Auch bei erfolgreicher Therapie erlangt man nicht die ursprüngliche körperliche Verfassung zurück, wenn man nicht aktiv an seiner Wiederherstellung arbeitet.

Im späten Stadium treten nämlich eine Reihe körperlicher Beeinträchtigungen auf: Die Muskeln schwinden, bis zu einem gewissen Grad leidet der Herzmuskel, ebenso die Gelenke, Sehnen, Nerven usw. Der prozentuale Anteil des Körperfettes steigt, das Cholesterin erhöht sich und das Verhältnis von HDL- zu LDL-Choleste-rin wird ungünstiger. Mehr als 80 % der Patienten nehmen deutlich an Gewicht zu.

Die Patienten verbringen infolge der extremen Müdigkeit und der Schmerzen am ganzen Körper außergewöhnlich viel Zeit im Bett und haben weit weniger körperliche Bewegung als vor Ausbruch der Krankheit. So beginnt ein Teufelskreis des körperlichen Abbaus, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Infolgedessen sind Lyme-Borreliose-Patienten unbeweglich, schwach und müde und haben eine schlechte Kondition. Das Risiko für eine koronare Herzerkrankung und einen Altersdiabetes steigt. Eine antibiotische Behandlung allein kann diese Auswirkungen nicht korrigieren. Daher ist es nötig, Physiotherapie zu verschreiben, wobei Häufigkeit und Intensität von der jeweiligen Verfassung des Patienten abhängen. Anschließend sollte mit einem sich langsam steigernden Trainingsprogramm begonnen werden.

Zu Beginn sollten beispielsweise Massage, Wärmeanwendung, TENS, Ultraschall usw. ausprobiert und einfache Körperübungen unter Anleitung eines Physiotherapeuten durchgeführt werden. Das Ziel ist, daß der Patient sich insgesamt wohler fühlt, beweglicher wird und besser schlafen kann. Danach geht man zu Stretch- und einfachen isotonischen Übungen über, welche die Gelenkschmerzen verringern und die Beweglichkeit und die Kondition erhöhen. Schließlich sollte das Programm zu einem muskulären Aufbautraining ausgeweitet werden, idealerweise unter Aufsicht eines speziell ausgebildeten Übungsleiters. "Körperskulptur"-Kurse sind hierfür ideal. Aerobic ist erst dann zu empfehlen, wenn der Patient ganz genesen ist.

Gerade bei Borreliose-Patienten zahlt sich eine gesunde Lebensweise aus. Ich empfehle leichte, fettarme, qualitativ hochwertige Kost mit einem geringen Anteil leicht aufschließbarer Kohlehydrate. Alkohol und Koffein sollten gemieden werden. Das Rauchen sollte so schnell als möglich aufgegeben werden. Außerdem sollte ernsthaft versucht werden, an Gewicht abzunehmen. Empfehlenswert sind Diätpläne für Arthritis-Patienten.

Um die Rehabilitation richtig anzugehen, sind schriftliche Anordnungen notwendig. Die typische Verschreibung eines physiotherapeutischen Rehabilitationsprogramms für Borreliose-Patienten könnte etwa folgendermaßen aussehen:

J REHABILITATIONSPROGRAMM FÜR BORRELIOSE-PATIENTEN

Name - Alter - Datum -

Nehmen Sie bitte o.g. Patienten/Patientin in ein Therapieprogramm zur Rehabilitation von Lyme-Borreliose auf. Dieses Programm muß vorsichtig, individuell und stufenweise gestaltet werden. Es sollte zumindest anfangs einzeln und unter Aufsicht durchgeführt werden, um die optimale Anleitung und Kontrolle zu gewährleisten. Gegebenenfalls sollte mit klassischer Physiotherapie begonnen werden. Anschließend sollte man, wenn möglich, zu einem Konditionstraining übergehen, das den gesamten Körper beansprucht.

Therapieziele (je nach der körperlichen Verfassung des Patienten sollte eines nach dem anderen angegangen werden):

Physiotherapie:

a) Durch verschiedene Anwendungen (Massage, Wärme, Ultraschall, TENS, Mikrowelle usw.) sollen Muskelspasmen gelöst und Muskelschmerzen gelindert werden.

b) Bei gleichzeitiger Schonung beeinträchtigter Gelenke, Sehnen und Bänder sollen die Beweglichkeit erhöht und steife Muskeln gelockert werden.

Konditionstraining:

Zu Beginn sollte sich ein Trainer intensiv dem Patienten widmen.

Patientenführung und Management (während der ersten Einzelsitzungen, später in regelmäßigen Abständen):

1. Der Patient muß in die Übungstechniken korrekt eingewiesen werden. Dies umfaßt das Aufwärmen, die Atemtechnik, den Gelenkschutz, die richtige Körperhaltung während der Übungen sowie das Ausklingen und das Stretchen am Schluß.

2. Es sollte immer nur eine Muskelgruppe gleichzeitig beübt werden. Ausgedehntere Stretchübungen sollten für jede Muskelgruppe unmittelbar nach jeder Einzelübung durchgeführt werden, bevor man zur nächsten Muskelgruppe übergeht.

3. Vor Beginn jeder Sitzung sollte genau nachgefragt werden, welche positiven oder negativen Erfolge die vorhergehende Trainingsstunde erbracht hat. Entsprechend kann die weitere Therapie ausgerichtet werden.

Programm:

1. Ziel der Übungen ist es, den Patienten zu kräftigen und die durch die Borreliose allmählich sich verschlechternde Kondition wieder zu verbessern. Dazu wird ein Ganzkörpertraining durchgeführt (Stretching, isotonische Übungen oder Körperskulpturen). Es werden leichte gymnastische Übungen gemacht und Gewichte gehoben, wobei man kleine Gewichte oftmals hintereinander hebt.

2. Es sollte nicht öfter als jeden 2. Tag geübt werden.

3. Die Übungsdauer beträgt eine Stunde. Falls dies für den Patienten zu anstrengend ist, sollte das Programm so modifiziert werden, daß der Patient eine Stunde lang durchhält.

4. Erst dadurch kann der Patient sein Wohlbefinden wiedererlangen. Dies ist das Hauptziel der Rehabilitationsmaßnahmen. Den Patienten lediglich auf ein Laufband zu stellen oder auf ein Ergometer zu setzen, ist nicht sinnvoll, ebenso wenig wie ein einfaches Lauftraining.

5. Aerobic - auch in leichterer Form - ist so lange nicht angeraten, wie der Patient nicht genesen ist.

Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie die spezielle Situation des Patienten eingehender diskutieren wollen.

(Unterschrift des Arztes)


K PILZINFEKTIONEN

Bei Patienten mit einer Lyme-Borreliose kann es leicht zu einem überschießenden Wachstum von Hefepilzen kommen. Daher wäre es diesen Patienten anzuraten, täglich einen Becher Joghurt mit lebenden Kulturen zu essen und zusätzlich zwei Kapseln Milchsäurebakterien nach jeder Mahlzeit einzunehmen. Hier nun einige Vorschläge, wie man das Pilzwachstum in den Griff bekommen kann.

Mund: Ein gelblicher Zungenbelag, schlechter Atem und ein unangenehmer Geschmack im Mund sind Zeichen einer Pilzinfektion. Der Patient muß beim Zähneputzen die Zunge ebenfalls mitbürsten und mit einem antiseptischen Mundwasser spülen. Da die Wirkung des Mundwassers von der Dauer des Einwirkens auf die Keime abhängt, sollte es während des Bürstens im Mund behalten werden.

Da einfach aufschließbare Kohlenhydrate ein idealer Nährboden für Hefen sind, sollten die Patienten Stärke und Zucker, Obst und Säfte mindestens zwei Wochen lang meiden bzw. so lange, bis das Problem gelöst ist.

Mitunter sind verschreibungspflichtige Medikamente notwendig: Mycelex-Pastillen und Nystatin-Lösung sind nicht zu empfehlen, da sie große Mengen einfacher Zucker enthalten. Nystatin-Pulver wird mit Wasser angerührt, und mit dieser Lösung wird 4mal am Tag der Mund gespült und schließlich hinuntergeschluckt (nach dem Essen und vor dem Schlafengehen). Gelegentlich können systemisch wirkende Antipilzmittel (z.B. Diflucan, Nizoral) nötig werden.

Die wirksamste (und drastischste) Behandlung erfolgt mit "Dakin's-Lösung" als Mundwasser. Diese besteht aus einem Teelöffel Haushaltsbleichpulver ("Clorox") in 1/8 l Wasser. Eine kleine Menge davon wird während des Zähneputzens im Mund behalten, dann ausgespuckt. Dies wiederholt man so lange, bis der Mund frei von Pilzen ist. Manchmal ist diese Prozedur alle paar Wochen nötig.

Nachdem man den Mund mit einem Antiseptikum gereinigt hat, sollte man sofort Joghurt essen oder Milchsäurebakterien als Lösung oder Kautablette einnehmen, um gesunde Bakterien wieder anzusiedeln. Die Keimzahl wird durch die Reinigung künstlich vermindert. Da Hefepilze Opportunisten sind, würden sie als erste wieder die Oberhand gewinnen. Sind jedoch bereits Joghurt- oder Milchsäurebakterien vorhanden, kann sich eine normale Bakterienflora eher etablieren und die Pilzinfektion zurückdrängen.

Magen-Darmtrakt: Sind Hefepilze in großer Überzahl vorhanden, werden die in der Nahrung enthaltenen einfachen Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke in Säuren, Gas und Alkohol umgewandelt. Daraus resultieren Beschwerden wie Blähungen, Sodbrennen oder Bauchschmerzen und, wegen der alkoholischen Gärung, kurz nach den Mahlzeiten Kopfschmerzen, Benommenheit und Schwindel. Um eine Pilzinfektion des Magen-Darmtraktes zu verhindern, sollten Zunge und Mund als erstes davon befreit werden, um eine erneute Infektion mit jedem Schluck zu verhindern. Man sollte auch auf Süßigkeiten, Stärke, Früchte und Säfte mindestens zwei Wochen lang verzichten, um den Hefekeimen keinen Nährboden zu bieten. Für gewöhnlich sind systemische Pilzmittel nötig.

Genitaltrakt: Eine gelegentliche Pilzinfektion in diesem Bereich kann mit Cremes oder Suppositorien behandelt werden. Wenn dies ein wiederkehrendes oder anhaltendes Problem darstellt, so rührt dies häufig von einer gleichzeitig vorhandenen Magen-Darminfektion her. Daher muß diese Pilzinfektion wie oben beschrieben behandelt werden. Antimykotika für den Genitaltrakt sollten dann zwei Wochen lang zusätzlich angewendet werden.


L PATIENTENINFORMATION

L1 Vermeiden von Zeckenstichen

Garten: Holzstapel, Natursteinmauern und Futterstellen für Vögel sollten entfernt werden, da sie zeckentragende Kleintiere anziehen und damit das Infektionsrisiko erhöhen.

Insektizide: Es ist ratsam, auf dem eigenen Grundstück Köder mit Insektiziden auszulegen, z.B. Pappröhren, die insektizidgetränkte Wattebäusche enthalten. Diese Röhren verteilt man auf dem Grundstück unter Bäumen und Sträuchern. Mäuse, die die Schlüsselrolle in der Verbreitung der Lyme-Borreliose spielen, benutzen die Wattebäusche als Nistmaterial. Dies vermindert die lokale Zahl der Zecken erheblich. Leider kann es nach zwei Jahren zu einem erneuten Anwachsen der Zeckenpopulation kommen, wenn nämlich andere Kleinsäuger oder Vögel, die keine Wattebäusche einsammeln, zum Wirt für Zecken werden. Daher ist solch ein Mittel allein nicht ausreichend. Man sollte zusätzlich flüssige oder gekörnte Insektizide ausbringen. (Flüssige Insektizide sollten in einem feinen Nebel versprüht werden, nicht in festem Strahl.) Diese Insektizide sollten in einem mindestens 1 m breiten Rasenstreifen um Bäume und Gebüsch herum ausgebracht werden. Ebenso sollten sämtliche Ziersträucher am Haus damit behandelt werden, da Kleinlebewesen gerne darin nisten. Der beste Zeitpunkt für das Ausbringen von Insektiziden ist das späte Frühjahr und im Frühherbst.

Kleidung: Wenn man lange Hosen trägt, sollte man die Hosenbeine in die Socken stecken. Auf diese Weise krabbeln Zecken, die auf Schuhe oder Socken gefallen sind, an der Außenseite der Hose nach oben, und die Wahrscheinlichkeit eines Stiches verringert sich dadurch. Helle Kleidung ist deswegen empfehlenswert, weil Zecken besser darauf zu erkennen sind. An glatten Stoffen können Zecken nicht so leicht hochklettern wie etwa an Strickwaren.

Zeckenabweisende Substanzen, die Permethrin enthalten, sprüht man vor dem Anziehen auf die Kleidung und läßt sie auch erst trocknen. Diese Substanzen dürfen nicht direkt auf die Haut gelangen.

Zecken sind gegen Austrocknen sehr empfindlich. Daher ist zu empfehlen, die Kleidung nach einem Aufenthalt in einem zeckendurchseuchten Gebiet für einige Minuten in den Wäschetrockner zu stecken. Evtl. vorhandene Zecken werden dadurch abgetötet.

Haut: Insektenabweisende Mittel, die DEET enthalten, sind durchaus wirksam. Man sollte sie jedoch nicht großflächig auf dem Körper verteilen, da sie resorbiert werden und toxisch wirken können. Arme, Beine und Hals damit einzureiben genügt. Mehr als 50%ige Lösungen sollten nicht angewandt werden, 25%ige Lösungen genügen vollauf. Bei kleinen Kindern sollte man solche Mittel nur bedingt anwenden, da Kinder sehr viel empfindlicher reagieren. Denken Sie auch daran, daß solche Mittel sich schnell verflüchtigen und daher wiederholt aufgetragen werden müssen.

Man sollte nicht vergessen, sich gründlich nach Zecken abzusuchen, und das nicht erst, wenn man nach Hause kommt, sondern schon unterwegs!

L2 Zeckenentfernung

Fassen Sie die Zecke mit einer Pinzette (nicht mit den Fingern!) so nahe wie möglich an der Haut und versuchen Sie, die Zecke gerade herauszuziehen. Anschließend wird die Stichstelle desinfiziert. Die Zecke darf nicht mit Hitze oder Chemikalien irritiert oder am Körper gefaßt werden, da dies die Zecken veranlaßt, noch mehr Krankheitserreger in die Haut zu erbrechen. Die Zecke klebt man auf eine Karte und versieht sie mit Ort und Datum des Stiches und der Beschreibung der Einstichstelle. Je eher die Zecke entfernt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren.


M ANHANG

M1 Vorgehen bei Zeckenstichen

Das Medical-Advisory-Committee der Lyme-Disease-Foundation empfiehlt neuerdings die antibiotische Prophylaxe nach Zeckenstich bei:

1. Gesundheitlich gefährdeten Patienten, wenn sie von einer Zecke unbekannter Art oder einer mit Bb infizierten Zecke gestochen wurden, z.B. schwangeren Frauen, Säuglingen und Kleinkindern, Patienten mit ernsteren Gesundheitsproblemen oder mit einer Immunschwäche.

2. Personen, die in einem Borreliose-Endemiegebiet von einer nicht identifizierten Zecke oder einer Zecke gestochen wurden, die Bb enthalten könnte.

3. Personen, die von einer möglicherweise mit Bb infizierten Zecke gestochen wurden, wenn die Zecke vollgesaugt ist oder die Saugdauer länger als 4 Stunden betrug und/oder die Zecke unsachgemäß entfernt wurde. D.h., wenn die Zecke mit den Fingern gequetscht, mit giftigen Chemikalien behandelt oder so entfernt wurde, daß ihr Darminhalt in die Stichwunde gelangen konnte. Derartige Vorgehensweisen erhöhen das Infektionsrisiko.

4. Patienten, die von einer Zecke gestochen wurden, wenn sie klar und deutlich eine orale Prophylaxe fordern und die daraus entstehenden Risiken auf sich nehmen. Dies muß von Fall zu Fall entschieden werden.

Der Arzt kann sich nicht auf einen Labortest oder klinische Zeichen zum Zeitpunkt des Zeckenstiches verlassen, um eine Borreliose-Infektion zu bestätigen oder auszuschließen. Er muß sich auf seine klinische Einschätzung verlassen, um die Frage einer antibiotischen Prophylaxe zu entscheiden. Nicht einmal eine PCR-Untersu-chung der Zecke auf das Vorhandensein von Spirochäten ist verläßlich genug, um allein davon die Entscheidung abhängig zu machen. Denn es kommen durchaus falsch-positive wie auch falsch-negative Ergebnisse vor.

Eine Infektion mit Borrelien kann ernste und langdauernde oder permanente gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, die mit Schmerzen verbunden und teuer zu behandeln sind. Da die Wahrscheinlichkeit gering ist, durch eine antibiotische Prophylaxe zu schaden, und da diese Behandlung kostengünstig und schmerzlos ist, spricht das Schaden-Nutzen-Risiko auf jeden Fall für eine Prophylaxe nach einem Zeckenstich.

Nach den Empfehlungen des Medical-Advisory-Committee ist eine antibiotische Prophylaxe nach Zeckenstick in vielen Fällen nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar erforderlich. Die letzte Entscheidung darüber sollte von Arzt und Patient gemeinsam getroffen werden.


M2 Therapieempfehlungen

Als ich Mitte der 80er Jahre begann, Patienten mit Lyme-Borreliose zu behandeln, erkannte ich, daß in den Fällen, in denen sich die Erkrankung bereits im Generalisationsstadium befand, die empfohlene antibiotische Behandlung von 10 bis 14 Tagen entweder zu nicht mehr als einer Linderung der Beschwerden oder nach anfänglich gutem Erfolg zu einem Rückfall führte. Diese Patienten sprachen dann in aller Regel auf eine erneute Gabe von Antibiotika an.

Steere und Mitarbeiter (20) veröffentlichten damals, daß der Erfolg in dem Verschwinden der "Haupt"-Symptome der Borreliose (Arthritis, Karditis und Facialisparese) bestünde, obwohl sich diese normalerweise mit der Zeit auch ohne Behandlung zurückbilden. In denselben Arbeiten berichten sie, daß die "Neben"-Sympto-me der Borreliose nach einer antibiotischen Therapie bestehen bleiben könnten, und sie nannten dieses Beschwerdebild das "Post-Lyme-Syndrom".

1987 nahm ich an einer Studie teil, bei der 26 Patienten, die an einer aktiven, generalisierten Lyme-Borreliose mit kulturellem Erregernachweis litten, mit Ceftriaxon 2 oder 4 g/Tag i.v. über 14 Tage behandelt wurden. Obwohl die Patienten unmittelbar nach Abschluß der Therapie kulturnegativ waren, wurden alle innerhalb einiger Wochen erneut kulturpositiv und zwar zeitgleich mit dem Wiederauftauchen der Symptome. Daraus schloß ich, daß ein Fortbestehen der Symptome nach dieser Art der Therapie tatsächlich eine anhaltende Infektion darstellt. Das Ergebnis dieser Studie wurde 1989 auf der nationalen Tagung der Lyme-Borreliosis-Foundation vorgestellt.

Auf die Empfehlung von Kollegen hin, die sich jahrelang mit der Borreliose beschäftigt haben (13), studierte ich die Wirksamkeit einer längeren Behandlung. Ich fand eine direkte Korrelation zwischen der Behandlungsdauer und den Beschwerden der Patienten nach der Behandlung: Es wurde eine Therapie mit 3 g Amoxicillin und 1,5 g Probenecid pro Tag in mehreren Einzeldosen gewählt. Der prozentuale Therapieerfolg einer Therapiedauer von 1 bis 6 Monaten wurde untereinander verglichen. Als Erfolg war definiert, wenn alle Borreliosebeschwerden, sowohl Haupt- wie Nebensymptome, verschwanden, ohne daß ein Rückfall innerhalb von 3 Monaten nach Therapie eintrat.

Die Daten zeigten eindeutig eine direkte Korrelation zwischen der Dauer und dem Erfolg, beginnend mit 17 %igem Erfolg bei einer Therapiedauer von 1 Monat bis zu einem Plateau von 67 % bei 5 Monaten. Diese Ergebnisse wurden ebenfalls auf dem o.g. Kongreß von 1989 präsentiert.

Als nächstes wurde der Erfolg einer Therapie mit Ceftriaxon und unterschiedlicher Dauer verglichen. Sogar nach einer kontinuierlichen Antibiotikagabe über 45 Tage erreichte keiner der Patienten den normalen, vor der Borreliose bestehenden Gesundheitszustand. Wenn sich jedoch an die intravenöse Therapie mit Ceftriaxon eine orale Therapie anschloß bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Patient frei von Symptomen der aktiven Erkrankung fühlte, gab es keine Rückfälle mehr. Erneut betrug die nötige Dauer der Therapie im Mittel mindestens 4 Monate.

Weitere Studien mit 74 Patienten, von denen Kulturen angelegt wurden, bestätigten, daß ein Absetzen der Antibiotika erst in Frage kommt, wenn die Patienten frei von den Beschwerden einer aktiven Borreliose sind. Denn erst dann waren sie kulturnegativ und es folgte kein Rückfall innerhalb der folgenden 3 Monate.

Mittlerweile wächst die Zahl der Publikationen, in denen das Fortbestehen der Infektion bei antibiotisch behandelten Patienten mittels verschiedener Nachweismethoden für Borrelien-Antigene belegt wurde (2,3,6,7,16,19). Dies bestätigt meine frühere Arbeit. Sogar Steere hat dies als eine mögliche Erklärung für die chronische Lyme-Arthritis vorgeschlagen (21).

Obwohl die Syphilis wahrscheinlich keine der Borreliose vergleichbare Spirochätose ist, wurde eine ähnliche Erregerpersistenz trotz einer angenommenen adäquaten (Kurz-)Therapie bei Patienten beschrieben, die später immundefizient wurden (14). Tatsächlich empfahl Wassermann 1936 eine mindestens 26wöchige Behandlung bei einer nachgewiesenen Infektion, wobei er sich auf Studien hinsichtlich der Regenerationszeit stützte.

Kürzlich nahm ich an einer Studie des Staatlichen Gesundheitsamtes teil, bei der eine Methode zum Antigennachweis nach Dorward et al. (4) angewandt wurde. Über 130 Patienten mit einer chronisch persistierenden Borreliose wurden getestet. Bei diesen bestanden die Symptome einer aktiven Erkrankung weiter, trotz einer verlängerten Therapie (einige Behandlungen wurden sogar als exzessiv beschrieben), und es konnten Borrelien aus Blut, Liquor, Urin und Tränen kultiviert werden. Tatsächlich hatten einige der Patienten über Monate und Jahre hinweg eine aggressive, oft parenterale Therapie erhalten. Beispielsweise hatte sich ein Patient einer kontinuierlichen Therapie über 3 Jahre unterzogen, ein anderer war 18 Monate, u.a. mehrmals parenteral, behandelt worden. Keiner von ihnen war ein Patient von mir.

Diese Beispiele zeigen deutlich, was Wissenschaftler als die Fähigkeit von Borrelien haben erkennen müssen, den Verteidigungsstrategien des Wirtes zu entkommen (1,11,14,15,20), sogar in der Gegenwart von Antibiotika (6,7,16,19).

Ich empfehle keinesweg eine Behandlung für alle Zeiten. Dennoch möchte ich klarstellen, daß die o.g. Ergebnisse folgende Schlüsse zulassen:

1. Keine der bisherigen Studien hat in irgendeiner Weise gezeigt, daß eine kurzzeitige Therapie (über 2 bis 4 Wochen) in eine bakteriologische Sanierung mündet.

2. Es wurde nie eine Übereinstimmung darüber erzielt, worin bei nicht beschwerdefreien Patienten nach einer kurzzeitigen Therapie das Post-Lyme-Syndrom besteht. Oder in welcher Weise Borrelien dafür verantwortlich sind oder wodurch es aufrechterhalten wird, wenn man eine bakteriologische Sanierung tatsächlich annimmt.

3. Patienten müssen so lange therapiert werden, bis sie frei sind von aktiven Symptomen. Andernfalls werden sie nicht vollständig gesund oder sie erleiden einen Rückfall.

4. Eine ausgedehnte antibiotische Therapie hat buchstäblich tausenden von Patienten geholfen, bei denen eine vorangegangene kurzzeitige Therapie nicht geholfen hatte.

5. Schließlich: Wir müssen erkennen, daß bei manchen Patienten eine Borreliose im strikten bakteriologischen Sinne nicht heilbar ist.

Bis spezifische und sensitive Methoden eines Antigen-Nachweises weithin verfügbar sind, wird die Therapie der Borreliose schwierig bleiben. Sie wird weiterhin der Gegenstand vielfältiger und kontroverser Diskussionen sein.


N LITERATUREMPFEHLUNG

1. Steere, A.C. Lyme Disease. N Engl J Med 1989; 321:586-96

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